Biogas

Milch allein macht’s nicht mehr

Von Wolfgang Zügel · 2016

Solarkollektoren und Windräder vor einem Bauernhof; Thema: Biogas

Milchbauern sind längst auf der Suche nach anderen Einnahmequellen. Ob Solarzellen auf den Dächern oder die Biogasanlage neben dem Stall – alles bringt Geld. Doch der Biogasboom verebbt und so suchen Bauern Auswege.

Landwirt Willy Meyer (Name von der Redaktion geändert) besitzt in Schleswig-Holstein ein stattliches Gehöft. Seinen rund 520 Milchkühen geht es gut, sie können sich bewegen, an der Waschbürste rubbeln und liefern ordentlich viel Milch. Doch das allein sichert sein Einkommen nicht mehr. „Ohne Biogasanlage und Solarzellen auf dem großen Kuhstalldach sind die Einnahmen heute nicht mehr auskömmlich“, bilanziert Meyer. Seine Kühe liefern nicht nur täglich tausende Liter Milch, sondern auch jede Menge Gülle und Mist, den Rohstoff für seine Biogasanlage. Rund um die Uhr läuft in der Anlage auf dem Hof ein Motor mit 190 Kilowatt, der Biogas verbrennt und so Wärme und Strom produziert – im Jahr 1,65 Millionen Kilowattstunden. Das entspricht der Menge, die 400 Vier-Personen-Haushalte durchschnittlich verbrauchen. Nach Einschätzung eines Energieberaters der Landwirtschaftskammer können solche Anlagen rentabel betrieben werden, auch eine Kombination mit Nachbarbetrieben ist nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) möglich.

Monokulturen schaden 

Diese Art von Biogasanlagen sind aber eher die Ausnahme. Bislang besonders gefördert wurden große Anlagen mit einer Leistung von 500 Kilowatt oder mehr. Sie werden überwiegend mit der Energiepflanze Mais und nur geringeren Mengen an Gülle und Mist betrieben. Die Folge: Zunehmend breitet sich Mais auf den Anbauflächen aus. Das lässt die Pachtpreise für Bauern in bisher ungekannte Höhen schnellen. Doch die riesigen Monokulturen schaden dem Grundwasser und gefährden die Artenvielfalt. Biogasanlagen sind zum Aufreger-Thema geworden. Landwirt Meyer sagt dagegen: „Unsere Anlage ist sehr verträglich.“ Eine Gülleanlage verändere nichts an der Agrarstruktur.

Es ist eine denkwürdige Geschichte mit der Biogas-Technologie. Wohl keine andere erneuerbare Energie erlebt einen so dramatischen Niedergang wie sie. Dabei ist es erst ein paar Jahre her, da galt Biogas als die Wunderenergie schlechthin. Für Biogas braucht man nur einen geschlossenen Behälter, dazu Mais, Getreide, Gülle oder andere Abfallstoffe aus der Landwirtschaft – und Bakterien. Sie wirken auf das sogenannte Substrat ein, es entsteht Biogas. Gas, aus dem man Strom und Wärme herstellen kann. Windräder und Sonnenkollektoren liefern Energie nur, wenn der Wind weht und die Sonne scheint. Biogas ist außer Wasserkraft derzeit der einzige erneuerbare Energieträger, der sich speichern lässt. Nach Berechnungen des Bauernverbandes kam die Biogasenergie im Jahr 2014 auf einen Gesamtanteil von 61 Prozent an den erneuerbaren Energien.

Regierung kürzt Förderung für Biogas-Anlagen

Aber die Große Koalition kürzte die Förderung von Biogas-Anlagen. Der Boom riss ab und nun droht auch den vorhandenen Anlagen Gefahr. Viele von ihnen sind so alt, dass sie in fünf oder sechs Jahren aus der Förderung fallen. Denn das ist die Grundregel bei den erneuerbaren Energien. Den fixen Abnahmepreis für den Strom, den sie produzieren, gibt es nur für 20 Jahre – egal, ob es sich um Wind, Sonne oder eben Biogas handelt. Eine weitere Möglichkeit für Landwirte, ihr Einkommen aufzubessern, sind Solaranlagen. Die großflächigen Dächer auf den Ställen bieten sich geradezu an zur Installation von Anlagen – seien es nun Fotovoltaikanlagen, die Strom liefern, der ins Netz eingespeist wird, oder Solaranlagen, die Wärme liefern. Solche Energie eignet sich für Schweine- und Geflügelzucht, deren Stallungen beheizt werden müssen und äußerst energieintensiv sind. Auch hier gibt es nach dem EEG Vergütungen. Doch auch wenn die Förderung degressiv ausgelegt ist, kann sich die Installation solcher Anlagen lohnen, zumal die Investitionen durch die KfW mit günstigen Krediten gefördert werden. Scheut ein Landwirt das Engagement, bleibt ihm immer noch die Möglichkeit, seine Dachflächen zu vermieten und dadurch Einnahmen zu erzielen.

Tankstelle als Ausweg

Es lassen sich aber auch noch andere Rohstoffe für die Energiegewinnung in der Landwirtschaft einsetzen und damit Geld sparen. So kann mit Holzabfällen oder Stroh direkt geheizt werden, oder es können Blockheizkraftwerke (BHKW) betrieben werden, die Stallungen und Wohnhaus mit Wärme und Strom versorgen. 
Angesichts der rückläufigen Förderung sinnen andere längst über Auswege nach: So hat ein Landwirt in Württemberg eine Biogastankstelle in Betrieb genommen. Das aufbereitete Gas, das er dort verkauft, hat die Qualität von konventionellem Erdgas und kann in Erdgasfahrzeugen verwendet werden. Der Landwirt begründet sein Projekt damit, dass er schon mal in die Zeit hineinwachsen wolle, in der es keine gesetzliche Abnahmeverpflichtung für Strom aus Biogas mehr gibt. Und in Zukunft könne das Gas auch fossile Brennstoffe wie Heizöl ersetzen.

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