Konventionelle vs. biologische Landwirtschaft

Besser wirtschaften

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2021

Weniger Schadstoffe, gesündere Böden, mehr Insekten – aber auch weniger Erträge. Der Biolandbau alleine kann die wachsende Weltbevölkerung nicht ernähren. Die konventionelle Landwirtschaft vermag das aber auch nicht. Vielmehr braucht es das Beste aus beiden Welten, kombiniert mit innovativen Technologien.

Junge Pflanzen auf einem Acker
Bessere Erträge dank gesunder Böden. Foto: iStock / Allexxandar

Immer mehr Landwirte bewirtschaften ihre Höfe nach ökologischen Kriterien. So stieg die Zahl der Biobetriebe von 2010 bis 2020 auf 26.100 Betriebe – ein Plus von 58 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt in der Landwirtschaftszählung 2020 mit. Damit ist jeder zehnte der insgesamt 262.800 landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland ein Ökobetrieb. Und auch im Bereich der Tierhaltung stellen immer mehr Betriebe auf ökologisch um. So ist die Zahl der Betriebe, die Tierhaltung nach ökologischen Richtlinien betreiben, in den vergangenen zehn Jahren um 41 Prozent von 12.300 auf 17.300 Betriebe gestiegen. Damit war jeder zehnte der deutschlandweit 168.800 tierhaltenden landwirtschaftlichen Betriebe ein Ökobetrieb; 2010 traf dies nur auf sechs Prozent der Betriebe zu. 

Bio auf dem Vormarsch

Ökolandwirtschaft ist also auf dem Vormarsch – zumindest in Deutschland. Das freut auch die Verbraucher, fordern sie doch immer stärker biologisch hergestellte, regionale Lebensmittel. So griffen laut der aktuellen Studie „Bio im Aufwind“ des Beratungsunternehmens PwC 24 Prozent der Bundesbürger häufiger zu Bio-Produkten als zu konventionell hergestellten Lebensmitteln. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 waren es nur 14 Prozent. Und einer Umfrage der Verbraucherzentrale Bundesverband zufolge sind 95 Prozent der Befragten beim Lebensmittelkauf gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in der Produktion und die Einhaltung hoher Tierschutzstandards wichtig. Für 92 Prozent ist die Einhaltung hoher Umweltstandards von Bedeutung. Genauso viele Befragte legen Wert auf eine regionale Herkunft der Produkte. Niedrige Preise nannten dagegen nur für 40 Prozent der Verbraucher. Klar, Bio hat zweifelsohne Vorzüge. Tiere leben unter besseren Bedingungen und bekommen artgerechtes Futter. Äcker werden weniger stark mit Düngemitteln und Pestiziden belastet. Die Artenvielfalt an Kleinstlebewesen wie Insekten, Würmern, Spinnen oder auch Bakterien im Boden und in der Luft ist im Biolandbau oft deutlich größer. Doch: „Die Erträge auf den Biohöfen sind durchschnittlich 20 bis 25 Prozent niedriger als bei konventionellen Bauern“, weiß Urs Niggli. Der Agrarwissenschaftler hat bis 2020 das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) im schweizerischen Frick geleitet und beriet die Vereinten Nationen anlässlich des Welternährungsgipfels UN Food System Summit. 

Immer mehr Ackerfläche

Das Problem: Eine Nur-Bio-Landwirtschaft kann die Welt nicht ernähren. Nach Schätzungen der UNO lebten im Mai 2020 mehr als 7,8 Milliarden Menschen auf der Erde. Im Jahre 2050 dürften es bereits 9,7 Milliarden sein. „Um die bis 2050 um voraussichtlich 1,9 Milliarden Menschen gewachsene Weltbevölkerung zu ernähren, müssten die Ackerflächen um 37 Prozent vergrößert werden“, erklärt Niggli. Für die Natur wäre das aber verheerend, denn damit gehen Lebensräume ganzer Arten unweigerlich verloren. Zudem schädigt ein Zuviel an Landwirtschaft die Umwelt und das Klima: Schon heute tragen Bauern und Viehzüchter weltweit zu mehr als 40 Prozent zum Klimawandel bei. In der modernen Agrarwirtschaft entstehen CO₂- und Methanemissionen; Böden, Gewässer und auch die Meere werden mit Stickstoff sowie Phosphor überschwemmt. Auch die konventionelle Landwirtschaft braucht bei steigender Weltbevölkerung aber immer mehr Land. Selbst wenn die durchschnittlichen Erträge in Zukunft ähnlich stark steigen wie in den vergangenen 60 Jahren, müssten die Landwirte nach Berechnungen der Welternährungsorganisation FAO bis zum Jahr 2050 rund 200 Millionen Hektar zusätzliches Ackerland umpflügen und 400 Millionen Hektar Weideland anlegen. 

Konventionelle vs. biologische Landwirtschaft: das Beste aus beiden Welten

Statt des Entweder-oder gilt es also, das Beste aus beiden Welten zu vereinbaren. Die konventionelle Landwirtschaft muss die Ressource Natur wieder stärker schätzen, Wert legen auf nachhaltiges Wirtschaften, Düngemittel und Pestizide meiden und stattdessen stärker auf Nützlinge, Artenvielfalt und Bodenqualität achten. Dazu muss sie sich auch Methoden aus dem Biolandbau zu eigen machen: „Das System der Biolandwirtschaft mit vielfältigen Fruchtfolgen und der Kombination von Tierhaltung mit Ackerbau hält die Böden gesund“, weiß Niggli. Dabei wandert das Stroh von Getreidefeldern in die Ställe, wird zusammen mit den Ausscheidungen der Tiere zu Mist, mit dem wiederum die Äcker gedüngt und die Böden gesund gehalten werden. Biobauern punkten zudem mit einer hohen Anzahl von Fruchtfolgen auf dem Feld und mit Konzepten zum vermischten Anbau, bei dem zum Beispiel Getreide und Klee oder Hülsenfrüchte gemeinsam angebaut werden, um die Erträge zu verbessern und gleichzeitig die Böden intakt zu halten.

Digitalisierung hilft den Bauern

Klar ist aber auch: Ohne technologische Innovationen geht es nicht. Digitale Technologien helfen, Äcker effizienter zu bewirtschaften, Böden gesund zu erhalten und Tierherden zu überwachen. So messen smarte Landmaschinen schon heute, wie viel Wasser und Nährstoffe die Pflanzen wirklich brauchen. Und in Zukunft flitzen kleine Roboter über die Felder. Sie erkennen Unkräuter an der Blattform und steuern die Versorgung der Pflanzen. Weiterer Vorteil: Je kleiner die Roboter, desto leichter sind sie auch. So verdichten sie die Böden weniger stark und halten sie so gesund.

Insgesamt, so zeigen Computermodelle des FiBL, kann unsere Erde auch zehn Milliarden Menschen ernähren. Voraussetzung dafür aber ist ein gesundes Ökosystem, das nachhaltig so bewirtschaftet wird, dass es uns auch in Jahrzehnten noch sicher ernähren kann. „Statt wie bisher die Einkommen zu subventionieren, müssten wir Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit, Klimaziele oder artgerechte Tierhaltung fördern, die in der Marktwirtschaft keinen Preis haben“, fordert Agrarwissenschaftler Niggli.

Quellen:
statista.com
FiBL.org
agrarheute.com
spektrum.de

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